Die Buchautorin und Illustratorin Anke Bär arbeitete in der KGS Hambergen mit Schülern und Schülerinnen des siebten Jahrgangs. Foto: Peter von Döllen

Workshop in der KGS Hambergen – Autorin bringt Schülern Nachkriegszeit nahe

Workshop in der KGS Hambergen – Autorin bringt Schülern Nachkriegszeit nahe

Die KGS organisiert Workshops mit einer bekannten Kinderbuchautorin, die über eine Lesung hinausgehen. Fördergelder machen es möglich.


Hambergen. „Dein Fisch hängt dort ein wenig besoffen herum“, raunt ein Mädchen ihrem Mitschüler zu. Und ein anderer glaubt, sein Fisch sehe aus, als habe er etwas genommen. Tatsächlich fällt der Schwarm an gezeichneten Thunfischen, den die Schülerinnen und Schüler einer sechsten Klasse der Kooperativen Gesamtschule Hambergen (KGS) gezeichnet, ausgeschnitten und an die Pinnwand geheftet haben, sehr abwechslungsreich aus. Einige Exemplare sind groß, andere eher klein, mal kommen die Zeichnungen detailliert daher, mal sind es eher nur Umrisse. „Wir wollen ja auch nicht, dass alle Fische gleich aussehen“, beruhigt Anke Bär. Die Kinderbuchautorin und Illustratorin aus Bremen ist diese Woche an drei Tagen nach Hambergen gekommen, um in Workshops mit den Kindern des sechsten Jahrgangs zu arbeiten. Ganz grob steht über der Aktion das Stichwort Leseförderung, wie Frank Nowak erklärt. Er ist Fachbereichsleiter Deutsch und Darstellendes Spiel.

Mehr als reine Leseförderung
Doch Anke Bär hat mehr im Sinn: Sie will die Kinder stärken, sie ermutigen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und auch zum Ausdruck zu bringen. Es gibt einen weiteren Aspekt. „Es geht mir darum, verschiedene Generationen zu verbinden“, erklärt sie. Grundlage dafür ist ihr Buch „Kirschdiebe“, das in der Nachkriegszeit spielt. Zu Anfang steht jeweils eine Lesung aus dem Buch. Sie hoffe, einige Schüler dazu zu bringen, das Buch noch mal selber zu lesen und dass sie überhaupt Lust auf Lesen bekämen. Drei Exemplare blieben auch an der Schule.
Anke Bär erzählt die Geschichte von Lotte, die in der Nachkriegszeit aufwächst, eine Zeit der Entbehrung und gegenseitige Hilfe. „Wir vergessen, dass es überhaupt nicht selbstverständlich ist, dass wir in Frieden leben, gesund sind oder medizinisch gut betreut werden, dass wir genug zu essen haben und ein Dach über dem Kopf“, erläutert Bär. Dabei müssten die Menschen nur rund 70 Jahre in der Geschichte zurückreisen, um zu erfahren, dass damals alles anders war. Ihr Wunsch sei es, über Lotte die Generationen miteinander ins Gespräch zu bringen, insbesondere natürlich die Kinder der Kriegs- und Nachkriegsjahre mit den Kindern und Jugendlichen von heute. „Ich will die Kinder abholen und in diese Zeit bringen.“

Reise in die Vergangenheit
Und dazu nutzt sie auch die Workshops in der KGS. Die Kinder haben im Vorfeld ein Familienforscherheft bekommen. Es animiert, mit Eltern oder besonders Großeltern zu sprechen. Wie war das in der Schule damals? Gab es Strafen und welche? Wie wurde Geburtstag gefeiert? Wie sah die Kleidung aus? Antworten auf solche und ähnliche Fragen können in das Forscherheft eingetragen und mit der heutigen Zeit verglichen werden.
Die Kinder haben in der Familie zudem um Gegenstände aus vergangenen Zeiten gebeten und diese auch in die Schule mitgebracht: Bierkrüge, Silberbesteck, Lineale, Taschenlampen, alte Geldscheine oder Bücher. Mancher hatte dann auch eine Geschichte zu erzählen, die er meist auch erst in den Gesprächen mit Oma, Opa und anderen Verwandten gehört hat

Die Kraft der Bilder
Im zweiten Teil nutzt Anke Bär die Kraft der Bilder, lässt die Schüler zeichnen. Sie sollen beispielsweise eine Schere, einen Teppichklopfer und ein Fahrrad zu Papier bringen. Das animiert, das Gedächtnis zu bemühen, auch bewusster hinzusehen. Was macht einen Gegenstand aus, um als solcher erkannt zu werden? Auch hier sollen die Schüler ihre Persönlichkeit einbringen.
Frank Nowak war im Internet auf Anke Bär gestoßen. Weil ihm Fördermittel zur Verfügung standen, konnte er mit ihr ein Projekt ausmachen, das mehr bietet als eine klassische Lesung. „Es ist schön, viel Zeit zu haben“, schwärmt Anke Bär. Auch den Schülern gefiel die Abwechslung.

Von Peter von Döllen

Zur Sache
Anke Bär
wurde 1977 in Erlangen geboren und hat „Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation“ an der Universität Hildesheim studiert. Sie lebt mit ihrer Familie in Bremen. Seit 2009 arbeitet sie als freischaffende Autorin, Illustratorin und Dozentin in Bremen. Ihre ersten beiden Bücher „Wilhelms Reise, Eine Auswanderergeschichte“ und „Endres, der Kaufmannssohn, Vom Leben in einer mittelalterlichen Hansestadt“ waren beide für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.
„Kirschendiebe“ erschien 2018 im Gerstenberg Verlag und hat die ISBN 978-3-8369-5997-1.

Quelle: https://www.weser-kurier.de/landkreis-osterholz/workshop-in-hambergen-autorin-bringt-schuelern-nachkriegszeit-nahe-doc7ovend7ukmhbnpq69qe (erschienen am 11.02.2023).