Geschichtsunterricht mit Wirkung auf mehreren Ebenen: die Schüler Milena Wincker (rechts) und Pravin Mahalingam im Escape Room. (Foto: Carmen Jaspersen)

Zeitreise ins Jahr 1941 – Mobiler Escape Room in der KGS Hambergen

Zeitreise ins Jahr 1941 – Mobiler Escape Room in der KGS Hambergen

Deutschland 1941 – Widerstand gegen das NS-Regime ist lebensgefährlich. Wie sich verhalten, wenn man in einen Gewissenskonflikt gerät? Das konnten Schüler der KGS Hambergen in einem Escape Room simulieren.

Geschichtsunterricht mit Wirkung auf mehreren Ebenen: die Schüler Milena Wincker (rechts) und Pravin Mahalingam im Escape Room. (Foto: Carmen Jaspersen)
Hambergen. Das Spielkonzept hinter „Escape Room: Der Löwe von Münster“, mit dem sich die Schülerinnen und Schüler des zehnten Jahrgangs der Kooperativen Gesamtschule (KGS) Hambergen beschäftigten, schickte die Jugendlichen auf eine ungewöhnliche Zeitreise. Was zunächst nur wie eine spannende Aufgabe klingt, konfrontiert sie am Ende mit einer schwierigen Gewissensentscheidung: Was hätten sie getan?

Ein Escape Room (deutsch „Fluchtraum“) ist ein Raum, in dem eine Gruppe von Spielern Rätselaufgaben lösen muss, um innerhalb einer vorgegebenen Zeit (meist 60 Minuten) gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Das Ziel kann darin bestehen, dem Raum zu „entkommen“ oder eine gemeinsame Aufgabe zu lösen. Das Auffinden und Kombinieren von Hinweisen und Gegenständen, Rätselknacken sowie gutes Teamwork bringt die Gruppe voran. Eine Spielleitung beobachtet die Gruppe von außerhalb des Raums über eine Kamera und kann bei Bedarf Hilfestellung geben.
Widerstand gegen das NS-Regime

Der Escape Room „Löwe von Münster“ dreht sich um eine historische Predigt des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen vom 3. August 1941. Darin prangerte er öffentlich die systematische Tötung behinderter Menschen durch die Nationalsozialisten an. In der Rolle einer fiktiven Pfadfindergruppe des Jahres 1941 erfahren die Spieler, dass ihr Leiter Karl verhaftet wurde, weil dieser die Predigt nachgedruckt habe. Jetzt muss die Gruppe die Flugblätter finden, bevor die Geheime Staatspolizei (Gestapo) Karls Wohnung durchsucht.

Dabei sahen sich die Jugendlichen auch mit ungewöhnlichen technischen Problemen konfrontiert: Wie bedient man ein uraltes Wählscheiben-Telefon, einen Projektor oder eine mechanische Schreibmaschine? Doch die größte Herausforderung lag dann in der eigenen Entscheidung: Was soll mit den Flugblättern geschehen, sind sie einmal gefunden? Sollen sie verteilt werden – und damit Verfolgung, Inhaftierung und vielleicht Hinrichtung riskiert werden? Oder lieber stillschweigend die Flugblätter vernichten, und damit einem diktatorischen Regime nachgeben? Eine Gewissensfrage, die sich auch in heutiger Zeit in anderen Gewändern jedem stellen kann.

Schülerin Viktoria fand die in eine Geschichte gekleidete Aufgabe sehr interessant, besonders, weil sie dies in Teamarbeit mit ihrer Gruppe machen konnte. „Ich würde die Flugblätter anschließend nicht vernichten. So eine Chance gibt es nur einmal, mit diesen Flugblättern kann etwas bewegt und verändert werden. Würden die Flugblätter vernichtet, brächte man sich nicht in Gefahr, aber ich würde eher etwas bewegen wollen!

Joris und Mattis waren von dem Abenteuer Escape-Room ebenfalls begeistert. Auch mit dem ungewöhnlichen Wählscheiben-Telefon hatten die technikaffinen Jugendlichen keine Probleme. Vor die Entscheidung gestellt, die Flugblätter zu retten und zu verteilen oder aber sie zu vernichten, entschied sich Joris für die Option, die Flugblätter zu verbrennen. „Ich hätte Bedenken, ob die Flugblätter bei den Menschen überhaupt angekommen wären und dass es zu schlimmen Folgen für diejenigen geführt hätte, die diese Flugblätter gelesen hätten. Was, wenn die Gestapo kommt, und mich mitnimmt?“

Mattis ist dagegen zwiegespalten. Einerseits sieht er deutlich die Gefahr für das eigene Leben, andererseits auch den „guten Zweck“, nämlich die Information der Allgemeinheit. „Werden die Flugblätter verteilt, können sie etwas Positives bewirken, die Verteiler setzen sich für eine gute Sache ein.“
Historiker, Bastler und Pädagoge

Matthias Hecking ist Wirtschaftsingenieur, Planer, Pilger, Reisender, Kreativer und Rätselfreak und zusammen mit dem Historiker, Theologen, Bastler, Pädagogen, Papa und gleichzeitigem Rätselfreak Winfried Hachmann der Planer hinter dem Escape-Room „Der Löwe von Münster“, mit dem sie seit 2019 durch die Lande touren. „Mir macht es riesig Spaß, Menschen zu ermöglichen, in eine ganz andere Welt einzutauchen und neue Perspektiven zu gewinnen. Und beim Rätseldesign braucht man Fantasie und Struktur gleichermaßen. Das gefällt mir“, sagt Matthias Hecking.

Matthias Hecking (links) und Torsten Schanz führen Regie und überwachen das Geschehen am Bildschirm. (Foto: Carmen Jaspersen)
Für Winfried Hachmann ist es dagegen wichtig, dass Schulunterricht seine Highlights hat. „In meinem Referendariat fehlte allzu oft die Möglichkeit, das Gelernte erfahrbar zu machen – gerade in den geistes-wissenschaftlichen Fächern. Zudem liebe ich es, alten Geräten wieder Leben einzuhauchen, und sie nicht nur in einer Vitrine zu konservieren. Da verbindet sich mein Bastlerherz mit dem Historiker in mir.“

Von Christa Neckermann

Ein besonderer Dank gilt unserem Schulförderverein für die großzügige Unterstützung, ohne die das Projekt nicht realisierbar gewesen wäre.

Quelle: https://www.weser-kurier.de/landkreis-osterholz/gemeinde-hambergen/zeitreise-ins-jahr-1941-schueler-der-kgs-hambergen-im-escape-room-doc7pccw2jh9sjswd2ngsm (erschienen am 16.03.2023).